Balintawak Methodik

Die Methodik des Balintawak Eskrima

von GGM Nick Elizar (übersetzt von GM Philipp Wolf)

Balintawak ist verteidigungs-orientiert. Wir gehen immer davon aus, dass wir einen trainierten/fähigen Gegner haben. Aus diesem Grund werden die Fähigkeiten der Verteidigung zunächst perfektioniert. Sind Geschwindigkeit und Timing der Verteidigung ersteinmal entwickelt, ist der Fortschritt in der Offensive automatische Folge. Wenn offensive und defensive Fähigkeiten ausgereift sind, wird ein harmonischer Bewegungsfluss erreicht. Auf dieser Stufe zeigen sich die wahren Fähigkeiten eines Eskrimadors. Dies ist die Essenz des Balintawak.

Im Balintawak wurden Schüler immer im Eins zu Eins Unterricht weitergegeben. Sei es, dass ein Fortgeschrittener Schüler einen Anfänger oder der Meister den Experten unterrichtet; Balintawak hat mit dieser Methode seit langem hervorragende Eskrimadores hervorgebracht. Durch das individualisierte Training wird das Lernen effizient und bedeutungsvoll. Die Wahrnehmung der technischen Feinheiten des Balintawak erfolgt mit dieser Methode besonders schnell.

Das Konzept des “Agak” ist das Zentrale Element der Trainingsmethode des Balintawak. Wörtlich übersetzt bedeutet dieses cebuanische Wort “führen / unterstützen / helfen”.

Wenn ein geschulter Führer, der sich in seiner Umgebung gut auskennt, einem fremden, schwächeren Menschen hilft, ihn an der Hand nimmt und durch die tosenden Fluten eines Flusses während eines Unwetters sicher zur anderen Seite bringt – das ist “Agak”.

Nicomedes „Nick“ Elizar

Mit dieser Philosophie im Hinterkopf wird im Balintawak das Eskrima vom Meister zum Lehrer und vom Lehrer zum Schüler weitergegeben.

Während der Zeit von Venancio “Anciong” Bacon war das Training stets sehr direkt und zielorientiert. Vom ersten Training an wurde dem Schüler ein Stock (Olisi oder Garote in Bisaya) in die Hand gegeben, er erhielt die “on guard” Warnung und wurde geschlagen/angegriffen. Der Schüler war frei in seiner Wahl, wie er sich verteidigen wollte. Wurde der Schüler getroffen, wurde ihm die korrekte Verteidigung gegen diesen Angriff gezeigt. Speziellere Techniken und Angriffe wurden in gleicher Weise vermittelt. Dies war die Lehrweise von Venancio Bacon, welche er perfektionierte und damit viele bekannte Meister des Eskrima hervorbrachte.

Basics und Grouping

Einer seiner bekanntesten Schüler, Jose Villasin, entschied sich, die bisher ungeordnete Trainings- und Lehrmethodik des Balintawak zu systematisieren. Er erschuf das ”Grouping System”, welches er und sein enger Freund Teofilo Velez verwendeten, um ihre Schüler im Balintawak zu unterrichten. Die Essenz des Balintawak wurde weiterhin vom Schüler zum Lehrer weitergegeben. Der einzige Unterschied lag in der nun verwendeten Systematik der Vermittlung. In diesem System gibt es eine klare Progression, aus der der Schüler sein Wissen und seine Fähigkeiten des Balintawak formt.

Zunächst lernt der Schüler die 12 grundlegenden Schläge bzw. Angriffe. Schlag 1 und 2 zur linken und rechten Schläfe. Schlag 3 und 4 zum rechten und linken Ellenbgen oder die kurzen Rippen. “Schlag” 5 ist ein Stich (oder tochada) zum Solar Plexus. “Schlag” 6 und 7 sind Stiche zur rechten und linken Schulter. Schlag 8 und 9 sind zum linken und rechten Knie. “Schlag” 10 und 11 sind Stiche zum rechten und linken Auge. Der letzte Angriff, Schlag 12, ist zum Schädeldach. Diese Schläge müssen mit der korrekten Fußarbeit ausgeführt werden, um ein Maximum an Balance und damit Power, Schnelligkeit und Bewegnlichkeit in jedem Schlag zu erreichen.

Der Schüler lernt als nächstes die 12 grundlegenden Verteidigungen gegen diese Angriffe. Bei jeder Verteidigung lernt der Schüler, seine beiden Hände gemeinsam zu nutzen, sowie sein Gleichgewicht sinvoll zu verlagern. Sobald ein Angriff durch den Stock des Schülers abgewehrt wurde, lernt dieser mit seiner linken Hand den Stock des Angreifers zu kontrollieren und zu “fühlen”, während er selbst seinen Gegenangriff durchführt. Dies ist der erste Schritt zum Erlernen der Bedeutungen / Verwendung der “leeren Hand” im Balintawak. Ebenso wie bei den 12 grundlegenden Schlägen werden in den 12 Verteidigungen entsprechende Fuß- und Körperpositionen für ein optimales Gleichgewicht gelehrt. Dies wiederum ist die Basis für die Entwicklung von Kraft, Geschwindigkeit und Flexibilität in der Bewegung.

Sind diese Basics ersteinmal gelernt, kann mit dem Agak richtig bekonnen werden. Es folgt die Einweisung in das Grouping System. Dies geschieht zunächst im Palakaw – dem einfachen “Durchlaufen”. Hier wird der Schüler zunächst durch die Gruppen “geführt”, um die korrekte Ausführung der grundlegenden Bewegungen sicherzustellen. Besonderer Wert wird dabei auf die richtige Beinarbeit und Körpermechanik gelegt. Dem Schüler wird ein Angriff geboten, diesen verteidigt er und checkt oder “clears” (sichern oder aus dem Weg räumen) die Waffe des Lehrers, um anschließend den korrekten Konterschlag anzubringen. Der Lehrer nimmt diesen Konterschlag an, räumt diesen aus dem Weg und gibt dem Schüler den nächsten Angriff. Alle 12 Schläge und alle 12 Verteidigungen zu diesen Schlägen werden vom Schüler in dieser Übung verwendet.

Palakaw zu Padagan

Während des Palakaw nimmt der Lehrer durchgehend Korrekturen an den Bewegungen des Schüler vor. Wichtiger ist jedoch, dass der Lehrer die Entwicklung des Schülers durch erhöhen der Geschwindigkeit und Härte seiner Schläge fortwährend vorantreibt. Während sich die Reflexe des Schülers stetig verbessern, fügt der Lehrer die “Groups” hinzu. Weiterführend geht diese Übung in das Padagan – oder “Durchrennen” – über, wobei die Intensität und Geschwindigkeit des Trainings weiter zu nehmen. Der Schüler wird fortwährend mit Angriffen in zufälliger Reihenfolge bombardiert, welche an Kraft und Härte so lange gesteigert werden, bis der Schüler die Kontrolle über seine Waffe bzw. das Kampfgeschehen verliert. An diesem Punkt wird dem Schüler eine Pause gewährt um anschließend erneut zu beginnen.

Die Groups werden systematisch in das Padagan mit einbezogen. Es handelt sich dabei um Formen von Angriffen, welche vom Lehrer verwendet werden, um dem Schüler bestimmte Bewegungen beizubringen, welche er meistern muss. Die erste Gruppe dient dem Training im Gebrauch der linken (leeren) Hand für das “Lifting and Clearing” (Anheben und aus dem Beiseiteräumen). Als nächstes folgen Angriffe mit dem kurzen / hinteren Stockende – dem Butt oder Pok-Pok in Bisaya. Nun werden vom Schüler vermehrt Ausweichbewegungen sowie Verteidigungen mit der linken Hand gefordert. Die dritte Gruppe beinhaltet die unterschiedlichen Winkel von Tochadas (Stichen) durch den Lehrer. Vom Schüler wird hierbei eine höhere Körperflexibiltät gefordert, während er sich gegen diese Angriffe verteidigt und kontert. Die vierte Gruppe behandelt Abanicos. Der Schüler wird darin trainiert, sich zu ducken oder den Körper zu winden um die Angriffe zu vermeiden. Die fünfte Gruppe beinhaltet Trapps (Festleger) sowie Schläge mit der freien Hand, um die Parrierfähigkeiten des Schülers weiter zu perfektionieren. Das Nickelstick Balintawak lehrt noch eine sechste und siebte Gruppe. In diesen wird der Schüler mit Ellenbogen und Kopfstößen auf die Verteidigung gegen diese Waffen des extremen Nahkampfes, sowie gegen Tritte und Fußfeger bzw. Angriffe mit und zu den Beinen vorbereitet.

Die einzelnen Gruppen von Bewegungen werden zunächst sporadisch in das Padagan eingefügt, welches den Rahmen für die Erlernung von Verteidigungen gegen alle denkbaren Angriffe dient. Auf dieser Stufe des Trainings prüft und analysiert der Lehrer die Stärken und Schwächen des Schülers. Ziel ist es, dem Schüler einen Feinschliff zu geben, indem all seine Bewegungen aufs Kleinste hin auseinandergenommen werden, um jegliche Schwächen zu eleminieren, welche in einer tatsächlichen Auseinandersetzung fatale Folgen haben könnten. Das Verdecken/Schließen der Augen, steife Körpermechanik, unnötige Muskelspannung und mangeldes Gleichgewicht sind die häufigsten solcher Schwächen. An dem Punkt, an dem der Lehrer spürt, dass der Schüler bereit ist, wird er automatisch die Intensität des Trainings anheben.

Während der Schüler sich entwickelt wird von ihm erwartet, sich einen individuellen Bewegungsfluss anzueignen, welcher seine Fähigkeit, Powerstrikes auf jedem Winkel mit maximaler Geschwindigkeit durchzuführen, optimiert. Der Bewegungsfluss wird ebenso die Fähigkeit des Schülers verbessern, jegliche Angriffe seiner Gegner zu blocken oder ihnen auszuweichen. Nachdem dieses grundlegende Level des Lernens erreicht wurde, wird der Schüler in das Pakgang herangeführt, welches dem Lehrer weitere Konter-Gegenkonter Möglichkeiten eröffnet. Ebenso lernt der Schüler den Witik (oft als Kurvada bezeichneter Schlag) kennen, den der Lehrer verwendet um die defensiven Reflexe des Schülers konstant weiter zu verbessern. Ferner werden vom Lehrer Fußfeger, Tritte, Entwaffnungen, Pushing & Pulling, Butts, Tripping, Hebel, Kniestöße, Ellenbogenschläge, Faustschläge, Handkantenschläge, Würfe und Kopfstöße in das Padagan eingebracht, um dem Schüler weitere Möglichkeiten des offensives und defensiven Kampfes zu vermitteln.

Das Padagan wird ebenfalls ohne Waffen praktiziert, wobei weitgehend die gleichen Bewegungen verwendet werden wie mit dem Stock. Der Schüler erkennt dabei, dass die Fähigkeiten der Verteidigung ohne Waffe bereits im Training mit dem Stock erlernt wurden, da der Stock nur eine Verlängerung des Armes darstellt. Im waffenlosen Padagan lernt der Schüler im Besonderen die Anwendung von Griff-, Festlege- und Hebeltechniken. Im Messertraining wird zunächst die Vermeidung und das Ausweichen eines Angriffs gelehrt. Der Schüler lernt, den Körper aus der Angriffslinie des Messers herauszudrehen. Schlussendlich lernt der Schüler die Anwendung unterschiedlicher Entwaffnungen, Hebel, und Schlagtechniken in der Messerverteidigung, welche ebenfalls bereits im Padagan geschult wurden.

Cuentada – das Herz des Balintawak

Im weiter fortgeschrittenen Stadium verwischen die Grenzen zwischen Schüler und Lehrer. Auf diesem Level beginnt das Sana-Sana, und der Schüler wird in das Konzept des Cuentada – oder auch Berechnen/Vorhersehen – herangeführt. Unbewusst wurden dem Schüler die Bestandteile des Snan-Sana bereits durch das Padagan vermittelt. Cuentada beinhaltet das Vorhersehen der offensiven Absichten des Gegners, wobei alle Bewegungen im Ansatz gekontert werden, um finale Techniken zur Beendigung des Kampfes einbringen zu können. Das Herz des Cuentada ist die Fähigkeit des Kämpfers, die Angriffe seines Gegners zu “lesen”, während seine eigenen Angriffe ansatzlos und unvorhersehbar werden. Ein hohes Maß an Timing, Fluss und der Fähigkeit, den Rythmus des Gegners zu brechen, ist hier zwingend erforderlich. Auf diesem Level beginnt der Schüler das Balintawak nicht nur auszuführen, sondern zu verstehen.

Auch wenn das Schülerprogramm in ca. 6-12 Monaten gelernt werden kann, vorausgesetzt der Schüler trainiert regelmäßig mit einem qualifizierten Trainer, endet das Steben nach Perfektion im Balintawak nie. Die Philosophie von Geschwindigkeit, Kraft, Eleganz, Fluss, und Bewegungsökonomie Venancio Bacon`s lebt in seinen Anhängern weiter. Dieses Paket von Fähigkeiten ist in sich komplett. Alle unnötigen Bewegungen und Techniken, welche sich noch in vielen anderen Stilen wiederfinden, wurden im Balintawak entfernt. Einfachheit ist das Herzstück des Balintawak. Es wurde in vielen realen Auseinandersetzungen geprüft und hat sich bewiesen. Balintawak wird seiner Philosophie immer treu bleiben. So gibt es keine kostspieligen Lektionen im “Herumwirbeln von Stöcken”, da es unser Ziel ist, Kämpfer zu trainieren!


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